Meine ersten italienischen Worte habe ich im Urlaub an der Adria gelernt: “Un gelato, prego!” Ein essentiell wichtiger Satz für eine Fünfjährige.
Mein Vater hat uns drei Kindern sofort nach der Ankuft am Urlaubsort ein paar 100 Lire Münzen in die Hand gedrückt. Offiziell wollte er unseres Selbständigkeit fördern, aber wahrscheinlich haben wir unsere Eltern nur beim Einräumen gestört. Jedes Jahr ging es im vollbepackten Auto nach Italien und jedes Jahr lief nach der Ankunft das gleiche Drama ab: das Appartement entsprach nicht den Fotos im Prospekt, irgendetwas war immer kaputt und meine Mutter hat unter Tränen erstmal die gesamte Wohnung geputzt. Mit mitgebrachtem Putzmittel natürlich. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte wurden es letztendlich immer wunderbare Ferien – und im Jahr darauf ging’s im Urlaub natürlich wieder nach Italien.
Es müssen allerdings noch ein paar Worte mehr gewesen sein, die ich damals gelernt habe. Ich erinnere mich an Diaabende, bei denen es von diesem ersten Urlaub Fotos von mir am Strand, zusammen mit einem Ehepaar aus Turin, zu sehen gab. Ausgerüstet mit einer Schaufel und einem roten Eimer strahle ich zwischen den Beiden in die Kamera. Zu dritt waren wir den ganzen Urlaub über immer wieder stundenlang unterwegs – meistens haben wir Miesmuscheln an den Felsen abgekratzt. Und ich erinnere mich noch genau: ich habe die Muscheln auch roh probiert. Sie müssen mir etwas Italienisch beigebracht haben – mit meinen Eltern sprachen sie jedenfalls Englisch. Im Kindergarten haben wir damals gelernt, wie wir uns Schuhe zubinden, aber Englisch noch nicht. Meine Eltern fuhren wahrscheinlich auch deshalb so gerne in den Urlaub nach Italien, weil sie sich am Strand nicht um uns kümmern mussten: irgendeine benachbarte kinderreiche italienische Familien hat uns sofort adoptiert. Die haben dann selbstverständlich auf uns aufgepasst.
Weshalb ich heute daran denke? Gerade bin ich zum ersten Mal dabei, „richtig” Italienisch zu lernen. Das hessische Bildungsurlaubsgesetz (so ein Wort kann es nur in Deutschland geben ☺️) macht es möglich, dass ich dieses Jahr zwei Wochen bezahlten Urlaub an einer Sprachschule machen kann. Chiara, die Lehrerin, bei der ich nachmittags Einzelunterricht habe, vermutet, dass ich wegen meines guten Akzents wohl bereits sehr früh Italienisch gesprochen haben muss. Da habe ich ihr von diesen ersten Urlauben und auch von den letzten zusammen mit den Eltern in Italien erzählt. Ganz gegen die Gewohnheit meiner Eltern immer andere Orte anzusteuern, haben wir drei Jahre hintereinander den gesamten August im Haus eines italienischen Freundes im Cilento verbracht. Damals war das noch Abenteuer pur. 18 Stunden waren wir im Auto zu dem kleinen Urlaubsort unterwegs, der vor allem bei Familien aus dem nahen Neapel beliebt war. Als grünäugige Fünfzehjährige mit langen dunkelblonden Haaren musste ich mir schnell einen gewissen Wortschatz zulegen, um den neapolitanischen Jungs auf ihren Vespas Paroli geben zu können. Aber auch als meine Haare auf Kinnlänge gekürzt waren, tat das dem Erfolg auf der Passegiata, dem abendliche Spaziergang am Lungomare, keinen Abbruch. Meine neapolitanischen Freundinnen haben sich daraufhin sogar spontan ebenfalls die Haare abgeschnitten. (Ja, richtig gelesen: sie haben sich gegenseitig mit einer Haushaltsschere die Haare abgeschnitten😎).
In der Schule habe ich ganz klassisch Latein, Französich und so später Englisch gelernt. Aber Italienisch? In einen Kurs zu gehen hat für mich nie zu dieser Sprache gepasst. Das Selbststudium aus Büchern habe ich versucht, aber entnervt wieder abgebrochen. Italienisch ist doch keine Sprache, die man paukt sondern viel mehr ein Lebensgefühl!
Durch die Kombination mit Latein und Französisch kann ich fast jeden Text verstehen und irgendwie hat sich über die Jahre auch das Hörverständniss erhalten. Seit ein paar Jahren zieht es mich auch wieder regelmäßig nach Italien. Ich rede mit jedem ohne jegliche Fesseln von Grammatikregeln, „all intuito”, intuitiv also. Notfalls auch mit Händen und Füßen. So wie ich es mir abgehört habe. Bei meinem letzten Venedigbesuch habe ich allerdings kleine Stiche gespürt, als mir ständig auf englisch geantwortet wurde.
Jetzt drücke ich also in Milazzo noch einmal für zwei Wochen die Schulbank. Italienisch auf Sizilien. Jetzt wird der eine oder andere sagen: da sprechen Sie doch überhaupt kein richtiges Italienisch. Doch, sie sprechen Italienisch, aber die Alten eben auch noch Sizilianisch. Und ich weiß nicht weshalb, ich mag die Menschen in Süditalien einfach sehr. Wenn einer Neapolitanisch spricht, geht mir das Herz auf. Mir kommen die Menschen irgendwie kommunikativer, eine Spur herzlicher und vor allem liebenswert eigensinnig vor. Im Süden, so ungefähr ab Neapel, fühle ich mich richtig wohl.
Wir sind in einer Schüler-WG, die sich im selben Haus wie die Sprachschule Laboling befindet, untergebracht. Außer mir wohnen noch ein weiterer Deutscher, ein Österreicher, ein Russe, ein Ire und eine Japanerin hier. Umgangssprache ist natürlich Italienisch:
Wer weiß, was da sonst noch so auf dem Post-It steht. Grazie Mille an Rie.
Im November besuchen vor allem Teilnehmer die Sprachkurse, die Studium und Schule längst hinter sich gebracht haben. Mit Axel, meinem österreichischen Mitschüler, habe ich unlängst darüber gelacht, dass wir wahrscheinlich eine Art Senioren-Unterricht bekommen. Weshalb können wir uns eigentlich nicht merken, dass für „in + Stadt” im Italienischen immer „a” genommen wird, und wie war das, wann benutzt man Imperfetto und wann Passato Prossimo🙈?
In unserem Appartement gibt es eine zweckmäßige Gemeinschaftsküche. Jeder kocht meistens für sich alleine. Die Speisen, die wir zubereiten, verraten unsere Herkunftsländer: Rie macht sich dünne Suppen, viel Fisch, allerdings nicht roh, sondern in der Pfanne gebraten und das dann mit Unmengen an Knoblauch. Daniel aus Irland dagegen, köchelt sich braunes Stew zusammen, das er sich dann notfalls auch kalt auf’s Panino schmiert. Gestern war ich zusammen mit Rie zum Einkaufen von Vino Sfuso unterwegs. Vino Sfuso ist offener Wein, den man vor dem Kauf verköstigen kann. In einem kleinen Lebensmittelladen sind wir schließlich fündig geworden. Beim Blick in die Theke kam ich auf die Idee, für uns beide Carbonara zu kochen. Der Guancale, Speck aus der Schweinebacke, lag einfach zu verlockend in der Auslage. Die restlichen Zutaten gab‘s dort natürlich auch. Und auch einen Liter Nero d’Avola, sizilianischen Rotwein, abgefüllt in einer Plastikflasche.
Bei Signore Montalbano gibt es alle Köstlichkeiten Siziliens.
Carbonara ist ein supereinfaches, ganz schnelles Rezept – genau richtig für ein Abendessen nach einem anstrengenden Tag in der Schule oder wonach auch sonst immer.
Eine gute Carbonara ist selbst in Italien im Restaurant schwer zu finden. Denn: una buona carbonara si fa a casa: gute Carbonara macht man zuhause.
Deshalb verewige ich das Rezept jetzt auf meinem Blog- es kommt schließlich nicht auf das Ambiente der Küche an: schmecken muss es!
Rie hat die Zubereitung ebenfalls fotografisch festgehalten. Dann die Frage aller Fragen: „ E quando metti la panna?” Wann machst du die Sahne hin? Sie konnte nicht glauben, dass man für eine Carbonara weder Milch noch Sahne benötigt. In Osaka gibt es, wie überall auf der Welt beim Italiener: „Spaghetti Carbonara”, und das heißt, wie eben auch fast überall auf der Welt: Spaghetti mit Sahnesoße und gekochtem Schinken. Aber das ist keine Carbonara 🇮🇹!
Das ist Carbonara 😎:
(Zeitaufwand: keine 15 Minuten)
- 120 Gramm Guanciale alternativ Pancetta oder durchwachsenen Speck
- 120 Gramm frisch geriebenen Guan Cavallo alternativ Provola, Pecorino oder: halb und halb Pecorino und Parmesan (bitte nicht aus der Tüte im Kühlregal)
- 2 Eier
- 250 Gramm Spaghetti oder andere Nudeln – in meinem Fall Casarecce (ausgerechnet in diesem Laden waren die Spaghetti gerade ausverkauft)
Gewürze
- Salz
- Ein Esslöffel Olivenöl
- Schwarzer Pfeffer
Gesalzenes Wasser zum Kochen bringen, die Nudeln hineingeben. Angegebene Kochzeit minus zwei Minuten kochen lassen.
Währenddessen: das Fleisch in dünne Stücke schneiden und in einer Pfanne mit dem Olivenöl gut anbraten
Die Eier mit dem geriebenen Käse in einer Schüssel vermengen, gut vermischen, eventuell eine Prise Salz dazugeben.
Die Nudeln etwa zwei Minuten vor der angegebenen Kochzeit vom Herd nehmen und abseihen – in die Pfanne geben – die Eikäsemasse dazu geben und für circa 2 – 3 Minuten gut durchrühren, dabei die Pfanne auf dem Herd lassen.
Dadurch gerinnt das Ei, der Käse schmilzt und das Ganze umschließt die Nudeln mit einer feinen, leicht körnigen cremigen Schicht. Nach Geschmack noch schwarzen Pfeffer darüber streuen.
Arianna, meine andere Italienischlehrerin, hat mir bestätigt, dass das eine “vera Carbonara” ist. Ihre Großmutter schmelzt noch eine Gemüsezwiebel zusammen mit dem Fleich. Diese Variante werde ich aber erst noch ausprobieren.
Non dimenticare: una buona carbonara si fa a casa.
Buon Appetito!